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21.04.2012
Peer Steinbrück überzeugt in Husum
Peer SteinbrückPeer Steinbrück nutzt die Wahlkämpfe in den Bundesländern als Werbetour für seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur der SPD. Dafür reicht er selbst ärgsten Widersachern die Hand.

Husum und Neumünster, Rendsburg und Eckernförde hat Peer Steinbrück in dieser Woche besucht. Zwei Tage verbrachte er in Schleswig-Holstein, und am kommenden Freitag fährt er schon wieder hin. Am 6. Mai wird der Kieler Landtag gewählt, es herrscht Wahlkampf, die SPD will zurück an die Regierung.

Natürlich, Steinbrück steht fest zum Spitzenkandidaten Torsten Albig, der einst sein Pressesprecher war. Doch geht es ihm um mehr als um die Macht an der Förde.

Es geht ihm auch nicht nur um die Macht an Rhein und Ruhr. An diesem Wochenende reiste Steinbrück zum Straßenwahlkampf nach Münster. Mehr als zehn Mal wird er in Nordrhein-Westfalen auftreten, bis dort am 13. Mai gewählt wird. Natürlich, er will, dass Hannelore Kraft im Amt bleibt.

Doch wirbt er nicht nur für Rot-Grün in NRW. Steinbrück betreibt eine Art Doppel-Wahlkampf. Er bewirbt einen Mann, der weder im Norden noch im Westen kandidiert. Peer Steinbrück führt Wahlkampf für Peer Steinbrück. Die Botschaft lautet: Ich helfe allen und überall. Ihr profitiert von meiner Prominenz und Eloquenz.

Ärgsten Widersachern reicht er die Hand

Dafür reicht Steinbrück selbst ärgsten Widersachern die Hand. Seinem Intimfeind Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein folgt er gar in dessen Wahlkreis, gemeinsam treten die beiden am Freitag auf. Niemand soll sagen, Steinbrück polarisiere in der Partei. Spätestens in einem guten halben Jahr will die SPD entscheiden, wer ihr Kanzlerkandidat wird.

Donnerstag, am frühen Abend in Husum. Der Saal des Kongresszentrums ist gut gefüllt. Gemeinsam eilen Albig und Steinbrück auf die Bühne. Statt Wahlreden gibt es eine Talkshow, das macht man so in der Sozialdemokratie, der Genosse Jörn Thießen moderiert.

Steinbrück und Albig kennen sich gut. Jahrelang haben sie eng zusammengearbeitet im Bundesfinanzministerium, zuletzt in der Finanzkrise. Albig war Sprecher, Berater und Spindoktor, und nicht immer war klar, was bei Steinbrück er selbst und was Albig war.

Nun aber in Husum zeigen sich zwei grundverschiedene Typen. Der bedächtige, moderate, zuweilen hölzerne Albig, der Erster werden will in der Provinz. Und der freche, forsche, spritzige Steinbrück, der ins Bundeskanzleramt strebt. Es ist ein ziemlich ungleiches Pingpongspiel, das die beiden sich an diesem Abend liefern.

Mit zwei Sätzen hat Steinbrück den Saal auf seiner Seite

"Was hast du heute schon getan?", fragt der Moderator zuerst Albig. Der berichtet von den Abiturprüfungen des Sohnes, "die den Papa ganz schön bewegt haben", vom Wahlkampf in St. Peter-Ording und Husum, "wo ich ganz starke Eindrücke gesammelt habe".

Dann ergreift Steinbrück das Wort, ungefragt. "Ich war gestern in Dortmund!", ruft er freudestrahlend ins Mikrofon. Das Publikum spendet sogleich Beifall, viele haben am Vorabend das Fußballspiel im Fernsehen verfolgt.

Der BVB-Aufsichtsrat Steinbrück war im Stadion. "Da haben wir die Bayern verprügelt!", freut er sich. Das kommt an bei den Nordfriesen. Abermals Applaus. Mit zwei Sätzen hat Steinbrück den Saal auf seiner Seite. "Wahlkampf kann der", heißt es in der SPD. Das ist eine Voraussetzung, um Angela Merkel aus dem Kanzleramt zu vertreiben.

Inhaltlich bietet Steinbrück wenig Neues. Gebetsmühlenartig plädiert er für einen höheren Spitzensteuersatz. "Alle mal aufstehen, die als Paar mehr als 200.000 Euro verdienen", appelliert er an seine Zuhörer. Niemand steht auf. Es ist eine alte Pointe.

Billigen Beifall besorgt sich Steinbrück

Steinbrück nennt das Management der Koalition in der Schuldenkrise "unzureichend". Er bezeichnet die 25-prozentige Kapitalertragsteuer einen Fehler, an dem er beteiligt gewesen sei.

All diese Versatzstücke zählen seit fast zwei Jahren zu Steinbrücks Standard-Rede. Das Publikum aber ist begeistert. Aufmerksam beäugt es den 65-Jährigen, wie er, das linke Bein über das rechte geschlagen, das Mikrofon in der rechten Hand hält und redet, während die linke Hand imaginäre Kreise zeichnet.

Manchmal ruft er Widerspruch hervor – etwa wenn er darauf verweist, dass zusätzliche Steuerfahnder höhere Personalkosten verursachen. Billigen Beifall besorgt sich Steinbrück nicht, und nicht einmal seine Gegner bezeichnen ihn als opportunistisch.

Die Lust des Bundestagsabgeordneten Steinbrück, noch einmal ein hohes – oder höchstes – exekutives Amt auszuüben, ist dabei allgegenwärtig. Gustav Stresemann, Walther Rathenau, Helmut Schmidt und Winston Churchill nennt er am Donnerstagabend zu Husum als seine Vorbilder.

Dann beschwört er "Haltung und Standfestigkeit", was der Cineast Steinbrück nicht nur auf das jüngst verfilmte Leben Margaret Thatchers bezieht. Es ist auch ein Selbstlob. "Haltung", schwärmt Steinbrück über Steinbrück, "gelegentlich auf die Gefahr hin, dass man verliert."

Erfahrung mit Enttäuschungen und Niederlagen

Steinbrück hat Erfahrung mit Enttäuschungen und Niederlagen – und zwar in beiden Ländern, in denen er nun für die SPD und sich wirbt. In Schleswig-Holstein war er, das ist lange her, Wirtschaftsminister. Er floh nach allerlei Ärger, den er mit Ministerpräsidentin Heide Simonis hatte. In NRW verlor er, da schon als Regierungschef, im Mai 2005.

Jene Landtagswahl – und kurz zuvor Simonis’ Scheitern bei der Ministerpräsidentenwahl – waren die Nägel im Sarg der rot-grünen Bundesregierung. Bald trug der Wähler auch diese zu Grabe. Nun propagiert die SPD eine Renaissance: Rot-Grün in Kiel und Düsseldorf, als Vorboten für den Bund.

Doch rot-grüne Mehrheiten sind alles andere als gewiss. Steinbrück, geprägt von der sozial-liberalen Ära Schmidt, umwarb als Landespolitiker stets die FDP. Deren Kieler Anführer Wolfgang Kubicki kennt und schätzt er seit dem Studium.

Die FDP will sich von der CDU lösen. Sollte es zu einer "Ampel" mit SPD und Grünen kommen? Steinbrück wäre gewissermaßen der Pate einer solchen Koalition. Und die würde der SPD, die im Bund stets hinter der Union liegt, eine neue Perspektive verschaffen.

"Wahlkampf ist Wahlkampf. Feddich!"

Seine Freude an der Auseinandersetzung demonstriert Steinbrück ohne Rücksicht auf Mitstreiter. "Das war schon sehr pastoral!", raunzt er Albig an, nachdem der über Fairness im Wahlkampf philosophierte. "Wahlkampf ist Wahlkampf. Feddich!", ätzt Steinbrück.

Albig giftet zurück und grenzt sich, scheinbar ironisch, von dem möglichen Kanzlerkandidaten ab: "Ich bin nicht so wie der. Ich gehe gewinnend auf Menschen zu, will sie ins Team holen." In puncto Wahlkampfstil, klagt Albig, fände er das Benehmen "mancher alter Männer wenig erfreulich". Das sitzt. Steinbrück streicht sich verlegen über die Stirn.

Alsbald der Gegenschlag: "Torsten", spricht er ihn direkt an. Im Wahlkampf gelte: "Das Kriegsbeil ist begraben. Aber du musst genau wissen, wo." Steinbrück natürlich kennt das Versteck.

Er verhehlt nicht, dass es ihm auch um ihn selbst geht. Ob er in Schleswig-Holstein für Albig werbe oder für seine eigene Kanzlerkandidatur, fragt ihn ein Reporter. Steinbrück setzt ein Haifischgrinsen auf, sagt aber ganz charmant: "Alles, was Sie sagen, ist richtig."

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