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22.05.2011
10 Thesen zur deutschen und europäischen Energiepolitik
Die Vorstände der AGS Hamburg-Mitte und der Landesvorstand der AGS Hamburg haben sich auf ihren letzten Sitzungen mit den Standortfragen beschäftigt:

"Wieviel Industrie braucht die Metropolregion Hamburg?" und
"Wie sieht eine moderne zukunftsorientierte Energiversorgung bei uns in der Metropolregion Hamburg aus?".

Deshalb finden Sie hier die 10 Thesen des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung:

(1) Energiepolitik in Deutschland kann nicht ohne Beachtung der europapolitischen Vorzeichen gestaltet werden. Allein eine abgestimmte europäische Energiepolitik kann die Aufgabe erfüllen, sichere, nachhaltige und bezahlbare Energie für die privaten Haushalte und für die Wirtschaft zur Verfügung zu stellen.

(2) Die anstehenden Weichenstellungen für die Energieversorgung Europas und Deutschlands müssen energiepolitisch legitimiert werden. Die Ausgestaltung klima- und umweltpolitischer Instrumente muss energie- und wirtschaftspolitisch tragfähig sein und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des produzierenden Gewerbes im Blick behalten.

(3) Wir wollen eine wirksame Wettbewerbsordnung auch im europäischen Energiebinnenmarkt als zentrales Steuerungsinstrument, um den Investitionsschub auszulösen. Investitionen brauchen eine angemessene Rendite. Durch mehr Wettbewerb wird die Energiestruktur in Deutschland auf eine veränderte, breitere Basis bestellt, in der die Stadtwerke und Regionalversorger eine wichtige Rolle spielen werden.

(4) Deutschlands Vorbildfunktion in der Energiewende muss sich hinsichtlich der ökonomischen Tragfähigkeit für Wohlstand und Beschäftigung beweisen. Deutschland als bevölkerungsreichstem und wirtschaftsstärkstem Mitgliedstaat sowie als Drehscheibe vieler Energietransporte kommt schon aus Eigeninteresse eine Vorbildfunktion für die am 4. Februar 2011 von den Staats- und Regierungschefs verabschiedete energiepolitische Strategie zu. Diese Vorbildfunktion Deutschlands müssen wir auch bei der Beendigung der Kernenergienutzung unter Beweis stellen – und zwar vor allem im Hinblick auf die ökonomische Tragfähigkeit für Wohlstand und Beschäftigung.

(5) Wir benötigen eine vertiefte Schätzung der energiewirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten der Energiewende. Weder die Realisierung der energiepolitischen Strategie der EU noch die Beendigung der Kernenergienutzung werden kostenlos zu haben sein. Die Kosten für den notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien zwischen 2012 und 2030 beziffert eine erste regierungsamtliche Schätzung (EEG-Erfahrungsbericht 2011des BMU) auf 175 Mrd. €; hinzu kommt ein mindestens zweistelliger Mrd.-Betrag für den Ausbau der Netzinfrastruktur, für die Errichtung neuer fossiler Kraftwerke sowie für die Subventionen für Energieeffizienzmaßnahmen und Energiedienstleistungen. Diese Größenordnung ist substantiell und bedarf daher vertiefter Schätzung der energiewirtschaftlichen Kosten des Netzausbaus. Insbesondere aber bedarf es dringend einer Analyse der volkswirtschaftlichen Kosten einer solchen Erhöhung des Strompreises, die sich besonders durch zukünftige Investitionsverlagerungen und Standortentscheidungen der stromverbrauchenden Industrie ergeben – im offenen und industrieintensiven Deutschland höchstrelevant.

(6) Gas und Kohle sind die kostenoptimalen Energieträger beim Ausstieg aus der Kernenergie bis zum vollständigen Ersatz durch erneuerbare Energien. Energiepolitik hat die Aufgabe, die industrielle Basis in Europa und in Deutschland zu sichern. Die Wettbewerbsposition wichtiger europäischer Industriesektoren hängt von der Verfügbarkeit sicherer Energie zu international wettbewerbsfähigen Preisen ab. Mit dem sich jetzt abzeichnenden endgütigen Auslaufen der Kernenergie in Deutschland bleiben als kostenoptimale Energieträger bis zum vollständigen Ersatz durch erneuerbare Energien bis zur Mitte des Jahrhunderts Gas und Kohle, eingesetzt in hocheffizienten Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung, mit CO2-Abscheidung und vorgegebenen Grenzwerten für die Wirkungsgrade. Die Vorgaben des europaweiten Emissionshandels sind durch Berücksichtigung entsprechender Anreizmechanismen zu modifizieren. Die Ausgestaltung des Emissionshandels darf dabei nicht zu einer Verlagerung zulasten der stromintensiven Industrie in Deutschland führen.

(7) Die strategischen Bottlenecks für den Ausbau und die Optimierung der Energieinfrastruktur (Stromnetze, Gaspipelines, Kraftwerke, Speicher) sind Finanzierung, Genehmigung und Akzeptanz der Projekte sowie die ausbaubedürftige grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

(8) Für die notwendige Akzeptanz von Investitionen in die Energieinfrastruktur ist ein gesellschaftlicher Konsens erforderlich. Zur Verkürzung überlanger und unsicherer Genehmigungsverfahren sollten bundesländerübergreifende Planverfahren zusammengelegt und der Rechtsweg durch Konzentration auf eine Kontrollinstanz beschleunigt werden. Die FFH-Richtlinie sollte im Hinblick auf die Vermeidung von Kollisionsrisiken zwischen Schutzgebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung und Leitungsvorhaben von gemeinschaftlichem Interesse modifiziert werden.

(9) Bis 2020 ist eine konsequente Europäisierung der Förderinstrumente für erneuerbare Energien unerlässlich. Um den Anteil von 20 % der erneuerbaren Energien am Gesamtverbrauch bis 2020 zu erreichen, bedarf es neben einem stabilen Fördersystem auch einer grundlegenden, EU-konformen Neuausrichtung der Förderinstrumente nach Kosten- und CO2-Minderungseffizienz.

(10) Mehr Energieeffizienz ist der Schlüssel für eine nachhaltige Energiepolitik. Insbesondere im Gebäudebestand liegen erhebliche Effizienzreserven. Die Sanierungsquote von aktuell ungenügenden ein Prozent ist auf mindestens zwei bis drei Prozent anzuheben. Da die Finanzierung der energetischen Sanierung des privaten Gebäudebestands mittels massiver Subventionierung und Zinsverbilligung bislang nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat, sollten Anreizmöglichkeiten des Steuerrechts, d.h. Sonderabschreibungen, und Klarstellungen im Mietrecht, d.h. Überwindung des Vermieter-Mieter-Dilemmas durch Beteiligung des Vermieters an geringeren Energiekosten, verstärkt genutzt werden. Die staatlichen Mittel sollten vorrangig zur energetischen Sanierung des öffentlichen Gebäudebestands eingesetzt werden. Energiedienstleistungen, z.B. Contracting-Modelle, sollten umfassender, auch durch gesetzliche Vorgaben, – wie dies bereits für hocheffiziente KWK-Fernwärme im EEWärmeG geschehen ist – nutzbar gemacht werden.

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